Ich bin nur dafür verantwortlich, was ich sage – nicht dafür, was du verstehst?
Ich bin nur dafür verantwortlich,
was ich sage –
nicht dafür,
was du verstehst!
Wirklich?
Ich bin über diesen Spruch kürzlich in den Weiten des Internets gestolpert. Er klingt auf den ersten Blick cool – nicht wahr? Stimmt er aber auch?
Für Schriftsteller definitiv nicht. Zwar lassen wir unseren Lesern viel Frei- und Spielraum für ihre Fantasie, aber wenn wir uns nicht bemühen, dass unsere Leser uns verstehen, warum sollten unsere Leser sich dann bemühen, unsere Werke zu lesen? Und wenn unsere Leser nicht verstehen, was wir sagen wollen – warum schreiben wir dann überhaupt?
Aus dem beruflichen Alltag kenne ich es genau anders herum: für das korrekte Verstehen einer Nachricht ist der Sender verantwortlich, nicht der Empfänger der Nachricht.
Der Sender hat jedoch keinerlei Einfluss mit welchem “Ohr” (nach Watzlawick) der Empfänger hinhört und in welcher Lebenssituation sich der Empfänger befindet. Beides jedoch hat einen Einfluss darauf, wie eine Botschaft aufgenommen wird und ist unabhängig von der Präzision, mit der die Botschaft formuliert ist.
Dass dies stimmt merkt man ja schon daran, dass Bücher nicht immer gleich auf einem wirken. Je nach der eigenen Situation ist ein Buch langweilig, “sprich zu einem”, hat eine mehr oder weniger tiefe Bedeutung. Hesse war der Held meiner Jugendzeit – heute finde ich ihn langweilig. Dafür fand ich als junge Frau Rudyard Kipling ganz furchbar langweilig, heute “singen” seine Texte für mich. Die Texte haben sich aber nicht verändert – nur ich selber!
Hallo Katharina,
du hast recht – solche Bücher kenne ich auch. Die ich als Jugendlicher absolut schwachsinnig fand und jetzt zum fast besten zähle, was ich je gelesen habe. Als Mensch und Leser reift man eben auch nach 😉
Trotzdem darf es für Autoren nicht darauf hinauslaufen zu sagen: “Wenn ich nicht verstanden werde, sind eben die Leser zu blöd.”
Ganz davon abgesehen, daß ich den Satz grammatisch grauenvoll finde (es müßte sowohl nach meinem altmodischen Geschmack als auch richtiger heißen: ich bin für das, was ich sage verantwortlich – nicht für das, was du verstehst) ist er schon richtig. Wenn man sich immer darüber im klaren ist, daß man für das, was man sagt und schreibt verantwortlich ist, gerade weil man ja mit seiner Botschaft etwas ausdrücken, rüberbringen und bewirken! will, ist man schon auf der sicheren Seite. Worte können eine Waffe sein und die Feder ist manchmal schärfer als das Schwert. Das allerdings hängt immer unmittelbar mit dem zusammen, was andere von dem, was ich (oderwerauchimmer) sage (bzw. sagt) versteht oder aber in den falschen Hals kriegt. Und mache Leute haben tatsächlich so dicke Filter in den Ohren bzw im Gehirn, daß sie tatsächlich nur das hören – können -, was sie hören wollen – oder können.
Ich denke, gerade beim Schreiben für die / in der Öffentlichkeit kann ausschließlich Verantwortung für das geschriebene, nicht aber für das rezipierte Wort übernommen werden. Der Empfang einer Nachricht beinhaltet immer deren Interpretation. Die Interpretationsmöglichkeiten für ein einziges Wort sind oft derart vielfältig, dass EmpfängerInnen immer die Verantwortung für ihre jeweilige individuelle Interpretation übernehmen müssen. Zumal der Sender schon aus physikalischer Unmöglichkeit nicht jeden Kontext, in dem eine Nachricht zukünftig empfangen und interpretiert wird bedenken kann. Während sich hingegen der Empfänger meist leicht in denen einen Kontext, aus dem heraus eine Nachricht in der Vergangenheit entstanden ist hineindenken kann.